Muss doch nicht jedes betriebliche Fahrzeug mit der 1%-Regelung besteuert werden?

Für viele Unternehmer ist es ein gewaltiges Ärgernis: Soweit es sich nicht um geschlossene Kastenwagen handelt, gibt es wegen jedes betrieblichen Fahrzeugs Diskussionen darüber, inwieweit es privat genutzt wurde und wie diese Privatnutzung zu versteuern ist. Grundsätzlich gilt der Anscheinsbeweis, das heißt, für jedes Fahrzeug, das privat genutzt werden könnte, ist bis zum Beweis des Gegenteils auch Privatnutzung zu versteuern. Jetzt hat das Finanzgericht (FG) Münster sich aber als Autoexperte geoutet und diesen Anscheinsbeweis durch das Vorhandensein anderer privater Fahrzeuge erschüttert.

Im vorliegenden Fall hielt die Klägerin (eine GmbH & Co. KG) im Betriebsvermögen einen BMW X3. Dieser wurde von den Arbeitnehmern für Technikereinsätze, Botengänge, Auslieferungen und als Ersatzfahrzeug genutzt. Ein Fahrtenbuch wurde für das Fahrzeug nicht geführt.

An der GmbH & Co. KG waren drei Kommanditisten (ein Vater und zwei Söhne) beteiligt. Allen stand ein mindestens gleichwertiges Fahrzeug zur privaten Nutzung für Verfügung. Der Vater, der in unmittelbarer Nähe des Firmengeländes wohnte, fuhr einen Mercedes S 420 und danach einen BMW 750 Ld. Seine Ehefrau fuhr - bis sie gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen - einen BMW Z4.

Einem der beiden Söhne - er war ledig und wohnte bei seinen Eltern - stand ein BMW 320d Touring zur Verfügung.

Der andere Sohn war verheiratet und lebte etwa 7 km vom Betriebsgelände entfernt. Er nutzte einen BMW 530d Touring. Seine Ehefrau fuhr einen Opel Corsa.

Das Finanzamt setzte für den BMW X3 einen Privatnutzungsanteil an, den es sowohl für Zwecke der Ertragsteuern als auch für die Umsatzsteuer nach der sog. 1%-Regelung berechnete. Hiergegen klagte die GmbH & Co. KG. Sie erklärte, dass allen Gesellschaftern (und auch den Ehefrauen) ausreichend Fahrzeuge zur Verfügung gestanden hätten, die dem Betriebsfahrzeug in Status und Gebrauchswert zumindest vergleichbar seien. Eine Privatnutzung des BMW X3 hätte nicht stattgefunden.

Das FG Münster gab der Klage vollumfänglich statt und zeigte sich als Fahrzeugexperte. Zwar entspreche es grundsätzlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein betriebliches Kraftfahrzeug, das zum privaten Gebrauch geeignet ist und zur Verfügung steht, auch privat genutzt werde. Das gelte natürlich auch für den BMW X3, bei dem es sich um ein kompaktes Sport- und Nutzfahrzeug mit einem einer Limousine ähnlichen Fahrkomfort handele und das an das Erscheinungsbild eines Geländewagens angelehnt sei.

Im Streitfall war der Senat jedoch davon überzeugt, dass der BMW X3 tatsächlich nicht privat genutzt worden sei, denn den Kommanditisten hätten im Streitzeitraum in Status und Gebrauchswert zumindest vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.

Bei den Fahrzeugen Mercedes S 420, BMW 750 Ld und BMW 530d Touring handele es sich um geräumige Modelle der Mittel- und Oberklasse. Auch der BMW 320d Touring - ein Modell der Mittelklasse - biete aufgrund seines Ladevolumens als Kombilimousine eine hohe Funktionalität.

Dass die 7 km vom Betriebsgelände entfernt lebende Ehefrau des verheirateten Kommanditisten, die ein gegenüber dem BMW X3 eher kleineres Fahrzeug fuhr, auf den betrieblichen X3 zugegriffen hat, entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung.

Fazit:

Es ist doch möglich, gegen den sogenannten Anscheinsbeweis anzukommen. Man muss nur Richter finden, die sich mit Fahrzeugen und der allgemeinen Lebenserfahrung auskennen.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 21.03.2018, 7 K 388/17 G, U, F

 

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