Auch ein Finanzgericht erlebt seine Kriminalgeschichten: Wenn Leib und Leben in Gefahr sind, können die Kosten eines privaten Sicherheitsdienstes durchaus außergewöhnliche Belastungen darstellen

Es hört sich tatsächlich an wie ein Krimi. Eine alleinstehende und vermutlich nicht gerade in Armutsverhältnissen lebende ältere Dame hatte eine sich als Ärztin ausgebende erwachsene Frau adoptiert und wurde von dieser im Anschluss mit Medikamenten „ruhig gestellt“. Nachdem ihr die Flucht gelungen war, engagierte die Dame einen Sicherheitsdienst, um ihre Adoptivtochter abwehren zu können. Die Kosten hierfür wollte sie als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wissen. Dies lehnte das Finanzamt jedoch ab.

Einen nicht alltäglichen Fall hatte das Finanzgericht (FG) Münster zu entscheiden. Nachdem die Klägerin die Frau adoptiert und ihr General- und Vorsorgevollmacht erteilt hatte, setzte sie ihre Adoptivtochter als Erbin ein. Im Anschluss wurde die Klägerin von ihrer Adoptivtochter mit Medikamenten „ruhig gestellt“. Sie befand sich durchweg in einem körperlichen Dämmerzustand, der nur dann unterbrochen wurde, wenn die Klägerin wichtige Termine wie Notartermine, u.a. für die Erbeinsetzung der Adoptivtochter, wahrnehmen musste.

Nachdem sich die ältere Dame befreien und fliehen konnte, widerrief sie sämtliche Vollmachten und die Erbeinsetzung und zog in eine Seniorenresidenz. Dort ließ sie sich 24 Stunden am Tag durch einen privaten Sicherheitsdienst bewachen, weil ihre Adoptivtochter und von dieser beauftragte Personen mehrfach versucht hatten, sie dort aufzusuchen. Die Kosten für den Sicherheitsdienst wollte die Klägerin als außergewöhnliche Belastungen in ihrer Steuererklärung berücksichtigt wissen. Dies lehnte das Finanzamt ab.

In seinem Urteil vom 11. Dezember 2017 13 K 1045/15 E gab das FG Münster der hiergegen erhobenen Klage statt, nachdem er eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmungen zur Bedrohungslage der Klägerin durchgeführt hatte. Es entschied, dass die Kosten für die Beauftragung eines privaten Sicherheitsdienstes zu außergewöhnlichen Belastungen führen, wenn die Aufwendungen notwendig und angemessen sind, um eine Gefahr für Leib und Leben abzuwehren. Die Klägerin sei gezwungen gewesen, sich vor weiteren möglichen Angriffen gegen Leib und Leben zu schützen.

Die Aufwendungen für den privaten Sicherheitsdienst seien der Klägerin aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Sie sei aufgrund der Behandlung durch ihre Adoptivtochter einer schweren gesundheitlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen und in ihrer persönlichen Freiheit unzumutbar eingeschränkt worden. Es habe auch die Gefahr einer Entführung und damit einer Wiederholung der körperlichen Übergriffe bestanden.

Da es sich bei der Seniorenresidenz nicht um eine geschlossene Anlage gehandelt habe, seien die Aufwendungen für den Sicherheitsdienst auch den Umständen nach notwendig und angemessen gewesen.

 

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